Für uns bisher noch Neuland ist Albanien — auch nicht bei jedem auf dem Schirm. Nicht einmal halb so groß wie Bayern und weniger als 3 Millionen Einwohner im subtropisch-mediterranen Klima.
Also nutzen wir den Herbst und lernen. Und werden überrascht, sind einfach begeistert. Vor allem über die unglaubliche Gastfreundschaft und die höchste Mercedes-Dichte der Welt. In jeglichem Zustand ist die Marke hier auf Straßen und Pisten zu sehen.
Aber beginnen wir mit dem Palmenstrand am Skutarisee: Das Camp dort ist unglaublich schön und das lokale Frühstück ein Genuss! Gestärkt wagen wir uns in das Landesinnere, über eine Brücke: sehr massiv. Das sind hier nicht alle. Aber dafür schmal und ohne Sicherung. Als wir die Überfahrt filmen möchten, fällt sie mir wieder auf, im Sonnenlicht: Eine Ölspur in der Mitte der Piste! Unsere? Ich fühle nach: es könnte auch Öl sein, kein Diesel. Ich bin nicht sicher. Am Zebra-Bus heißt es: Haube auf. Ich suche nach Undichtigkeiten, aber alles passt. Tatsächlich taucht die Spur auch vor uns immer wieder auf. Fahrzeuge in jedem Zustand eben.
Außer den Fahrzeugen finden wir auch Brücken in jedem Zustand, queren auf einsamen Pisten auch über einige abenteuerliche Bauten. Unheimliches Schlagen, Knarzen und Seufzen der lückenhaften alten Bretter. Die werden teilweise umgetragen, um an einer Seite wenigstens eine schmale Spur zu erhalten. Für Fußgänger oder Esel. Schwere breite Fahrzeuge stehen hier schnell vor dem Aus.
Nicht weit von Tirana fahren wir abends nach Westen, in Richtung Küste — und finden ein wunderbares Plätzchen fernab an einem der schönsten Strände. Warme Abendsonne, eine frische Brise Wind, dazu leichtes Wellenrauschen. Ein Bilderbuch-Sonnenuntergang. Absolut nichts los.
Durch den weichen Sand wandern wir den Strand entlang geradewegs nach Süden. Ein junges Paar mit Tochter hat ein kleines Feuer entfacht und reicht uns eine ganze Hand voll frischer warmer Esskastanien: einfach nur Wahnsinn, die Menschen hier!
Etliche Kilometer weiter finden wir noch eine offene Bar und ordern uns zwei Peroni, das bekannteste Bier hier in Albanien. Wir genießen das letzte fahle Licht der Dämmerung — und haben es schon wieder verbockt: unser Zebra-Bus steht irgendwo in den Dünen in völliger Dunkelheit, wir etliche Kilometer weiter südlich. Ohne Taschenlampe, ohne GPS-Standpunkt. Tipp: merkt Euch einen Rückweg, den Ihr ertasten könntet…
Aber es kommt noch doller: über Nacht entlädt sich ein unglaubliches Gewitter. Stundenlang fließen ganze Ströme vom Himmel — und dann auch unten zwischen den Dünen. Ohne Allrad und AT-Reifen keine Chance, morgens sanft durch diese herrliche Landschaft zu rollen. Das ist Freiheit, das ist Abenteuer!
Die Stadt der 1000 Fenster — Berat. UNESCO-Welterbe und nicht weit von der Osum-Schlucht. Ein historisches Zentrum. Oben: Kalaja, mehr als eine Burg. Eine der ältesten Städte des Handels und Handwerks in Albanien mit multikulturellem Einfluss, da die Eroberer angezogen durch die exponierte Lage immer wieder wechselten. Von hier wurde die Handelsstraße im Tal zum Vjosa-Durchbruch überwacht. Vielleicht auch deshalb so besonders, da Religionsfreiheit herrschte, christliche Siedlungen neben Osmanen lagen — so stehen heute Kirchen neben Moscheen.
Wir tauchen ein in diesen Mix, fühlen uns wärmstens willkommen. Oben finden wir eine wundervolle kleine Pension mit weiter Sicht über die Dächer der Stadt und das Tal: In hervorragender Hanglage wird auch unser geliebter Merlot angebaut. Das Paar Vasili kümmert sich rührend um uns, bereitet mit viel Aufwand die wohl besten Crêpes zu, die wir bisher genießen durften. Und dazu ordentlich starken türkischen Mokka!
In der Lagune von Butrint gegenüber von Korfu liegt die großflächige Ausgrabungsstätte auf einer Halbinsel im Wald. Die von mächtigen Stadtmauern umgebene Siedlung war ein wichtiger Hafen bis in die osmanische Zeit und gehört zu den bedeutendsten archäologischen Ausgrabungsstätten im Mittelmeerraum. Da das UNESCO-Weltkulturerbe von 1992 glücklicherweise abseits liegt, können wir über Stunden ruhig Eintauchen in die vielfältigen Kulturen — spüren den Einfluss von zigtausend Jahren.
Unübersehbar ist mit dem Theater auch der römische Einfluss in der Blütezeit einige 100 Jahre vor unserer christlichen Zeitrechnung: über 2.000 Zuschauer haben Platz. Auch die zahlreichen Badanlagen zeugen von alten Zivilisationen. Aber uns hat die gewaltige Basilika besonders beeindruckt: mit drei Schiffen stammt diese aus den Anfängen des 6. Jahrhundert noch unter byzantinischer Herrschaft! Leider sind die unglaublich schönen Mosaike die meiste Zeit über zum Schutz verschüttet.
Wir steuern das blaue Auge an: Syri i Kaltër. Schon weit im Süden Albaniens liegt das für uns spektakulärste Naturschauspiel. Aus dem tiefen unterirdischen Quelltopf der Karstquelle sprudeln jede Sekunde mehr als 6.000 Liter absolut klares Wasser! Das nahezu weiße Kalkgestein gibt dem Wasser eine tiefblaue Farbe. Der dadurch recht üppige Quellbach fließt durch ein buntes Urwaldparadies, heute unter Naturschutz.
Ein paar Tage später haben wir am Flussbett eine herrliche Übernachtung mit Sonnenaufgang im morgendlichen Dunst. Die Landschaft kann einfach nur unglaublich sein! Und gerne bei der Gelegenheit nochmal der Hinweis, weil immer wieder vorgemacht selbst in entsprechenden Fachzeitschriften: vom Übernachten auch im trockenen Flussbett selbst raten wir unbedingt ab! Natürlich sind auch wir zum Abend hoch ans Ufer.
Der Morgen beginnt mit einem fantastischen Sonnenaufgang im morgendlichen Dunst: Die Landschaft ist einfach nur unglaublich! Und wir brechen auf zu den Banjat e Bënjës: Die heißen Quellen in der Nähe von Përmet sind für uns ein weiteres Muss in Albanien. Das Wasser staut sich in verschieden großen Becken und führt dabei nur sehr wenig Schwefel. Wenngleich mich sogar noch mehr die Ura e Kadiut fasziniert, direkt nebenan: eine über die Lengarica gespannte Steinbogenbrücke, 30 Meter lang und bis zu 7 Metern hoch. In dem umliegenden trockenen Canyon bieten sich auch kürzere Wanderungen an in eine Gegend mit fantastischen Auswaschungen, Grotten und Höhlen — teilweise sogar mit Wandmalereien.
Ein beeindruckender Canyon, den der Osum im Süden Albaniens geschaffen hat. Wir finden diesen insbesondere bei Blezënckë spektakulär eng und tief eingeschnitten, gespickt mit einer Vielzahl kleiner und größerer Höhlen. Bis zu 80 Meter fallen die Felswände senkrecht ab in die Schlucht zum Wasser, in welches sich auch mehrere Wasserfälle stürzen.
Wir werden teilweise kräftig durchgeschüttelt. Hinter Berat, unterwegs auf Pisten in Richtung Osum-Schlucht. Auf der Suche nach einem Stellplatz überrascht uns ein Gewitter: Der Matsch unter den AT-Reifen verwandelt sich innerhalb weniger Minuten in einen unpassierbaren rutschigen Abhang, der Bulli ist nicht mehr steuerbar — viel zu gefährlich für eine weitere Passage. Jetzt kommt es auf schnelle Entscheidungen an: Wir wählen eine kleine Schotterfläche aus und verbringen eine ruhige Nacht in den albanischen Bergen. Am nächsten Morgen sieht alles bereits wieder wesentlich entspannter aus.
Wieder zurück am Strand stehen wir in einer fantastischen kleinen Bucht, in der Nähe von Vlorë. Kein wirklicher Geheimtipp: ein paar Langzeitreisende stehen hier. Mit selbst ausgebauten Fahrzeugen, auch Lastwagen — und genießen den warmen Herbstwind, das Rauschen der Wellen. Womit unsere Nachbarn wirklich beeindrucken: fast ausnahmslos sind alle früh draußen beim Sport oder mindestens mit Yoga auf der Matte!
Immer wieder besuchen uns nicht nur hier neugierige Gäste aus der Natur: eine uns vorher bereits als sehr interessiert aufgefallene Ziege war dann auch etwas später halb im Zebra-Bus: Das Muster hat nicht für Abschreckung gesorgt, das Albanische Peroni-Bier war zu verlockend! Aber eigentlich für uns am Abend gedacht. Auf den Bildern: bemerkenswert vielleicht auch die unterschiedlich gelagerte Literatur, von der Ziege jedoch völlig unbeachtet… Ein paar Sekunden später stand die Kleine dann im Bus — die Kamera war dann unwichtig und ich packte das Tierchen bei den Hörnern.
Und irgendwann ist es dann so weit und die letzte Nacht bricht an, zeigt nochmals am Strand einen herrlichen Sonnenuntergang. Zweieinhalb Wochen: Wir könnten noch viel mehr berichten. Was für eine Reise, welch ein Land!